Bürgergeld
Bereits seit dem Jahr 1956 können sich Bürger:innen eine bedürftigkeitsgeprüfte Sozialleistung ("Sozialhilfe") auszahlen lassen. Als Grundstein für dieses System diente eine temporär geltende Verordnung über die Erwerbslosenfürsorge aus dem Jahr 1918. Diese Verordnung stellte ursprünglich die Versorgung von "arbeitsfähigen und arbeitswilligen Personen" über 14 Jahren sicher, die sich in Folge des 1. Weltkriegs durch Erwerbslosigkeit in einer bedürftigen Lage befanden.
2005 folgte dann mit der Einführung der Agenda 2010 eine „Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe“ auf dem Niveau der Sozialhilfe. Umgangssprachlich wurde diese Arbeitslosengeld II (ALG II) oder auch "Hartz IV (benannt nach Peter Hartz) genannt. Im Januar 2023 wurde diese Leistung dann vom Bürgergeld abgelöst.
Menschen die von ihrem Recht auf Bürgergeldbezug Gebrauch machen eilt häufig der Ruf voraus, diese seien "zu faul zum Arbeiten" und würden sich "auf Kosten der Steuerzahlenden das Leben schön machen." Dass es sich bei knapp einem Drittel der Bürgergeldbeziehenden um Kinder handelt und 15% der Bürgergeldbeziehenden einer beruflichen Tätigkeit nachgehen (und das Bürgergeld als aufstockende Leistung nutzen) ist vielen nicht bekannt. Da in der Vergangenheit häufig mit der Ankündigung der Abschaffung von Sozialleistungen (z.B. durch die AfD oder die CDU) Wahlkampf gemacht wurde, finden sich hier einige zusammengetragene Fakten in der Hoffnung, die (sowohl ökonomisch als auch gesellschaftlich) Sinnlosigkeit einer Abschaffung der Bürgergeldleistung aufzuzeigen.
Die Rahmenbedingungen für das Bürgergeld lassen sich im II. Sozialgesetzbuch, Kapitel 1 nachlesen.
Dort heißt es in §1, dass die Grundsicherung (also das Bürgergeld) dem Leistungsberechtigten ermöglichen soll, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.
Weiter heißt es in §2, dass die Grundsicherung dazu dient, die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Zugehörige ihrer Bedarfsgemeinschaft (z.B. Angehörigen) zu stärken und dazu beizu beitragen soll, dass eben diese Menschen ihren Lebensunterhalt (wieder) aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können.
Wer bekommt Bürgergeld?
Einen Anspruch auf Bürgergeld haben Menschen die,
- mindestens 15 Jahre alt sind, aber das Renteneintrittsalter noch nicht erreicht haben,
- erwerbsfähig sind und täglich mindestens drei Stunden arbeiten können,
- hilfebedürftig sind und Ihren Lebensunterhalt nicht mit eigenen Einkommen oder Vermögen decken können,
- für das Jobcenter und dessen Vermittlungsbemühungen erreichbar sind und
- ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland haben.
Hilfebedürftig bedeutet, dass das Einkommen Ihrer Bedarfsgemeinschaft unter dem Existenzminimum liegt und Sie den Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Mitteln bestreiten können.
Erwerbsfähig bedeutet, dass keine Krankheit oder Behinderung Sie hindert, eine Arbeit aufzunehmen.
Auch wer nicht erwerbsfähig ist, kann Bürgergeld erhalten, wenn sie oder er mit einer erwerbsfähigen und leistungsberechtigten Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.
Die Gruppe von Bürgergeldbeziehenden ist vielfältig und umfasst neben erwerbsfähigen Leistungsberechtigen auch erwerbsfähige Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft wie z.B. Kinder oder erkrankte und erwerbsgeminderte Angehörige.
Zum 01. August 2023 erhielten 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld.
- Von diesen 5,5 Millionen Menschen waren 1,5 Millionen Menschen nicht erwerbsfähige Kinder unter 15 Jahren, was etwa 27,3% entspricht.
- 20% der verbleibenden 4 Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten waren erwerbstätigt und erhielten das Bürgergeld als aufstockende Leistung.
- 40% der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten standen dem Arbeitsmarkt zu Verfügung, während die anderen 40% dem Arbeitsplatz nicht bzw. nur bedingt zu Verfügung standen, da sie sich z.B. in einem Ausbildungsverhältnis, bzw. Studium befanden, Kinder erzogen, Angehörige pflegen oder kurzfristig arbeitsunfähig sind.
Alle fünf Jahre werden die Regelbedarfe auf Basis von Einkommens- und Verbraucherstichproben ermittelt und jährlich fortgeschrieben. Seit 2023 erfolgt die Fortschreibung in zwei Berechnungsschritten wobei auf der einen Seite die regelbedarfsrelevanten Preise und auf der anderen Seite Nettolöhne und Gehälter innerhalb eines bestimmten Zeitraums gegenübergestellt werden. Im nächsten Schritt folgt dann eine Feststellung der aktuellen Preisentwicklung durch eine zusätzliche Fortschreibung. Der zweite Schritt ermöglicht es leistungsberechtigten Haushalten, besser auf Preissteigerungen reagieren zu können.
Die Höhe des Bürgergeldes steht in Relation zum individuellen Bedarf einer Person und wird ausschließlich an Personen gezahlt, deren eigenes Einkommen und Vermögen, sowie das der Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft (im Haushalt lebender Partner, Ehegatte oder Lebenspartner:in) nicht für eine selbstständige Sicherung des Lebensunterhalts ausreichen.
Für die verschiedenen Bedarfsfelder gibt es je nach Leistungssatz einen bestimmten Betrag, der für die Ausgaben in diesem Bereich vorgesehen ist. So sind für eine erwachsene Person 195,36€ im Monat für Nahrung, Getränke und Genusswaren vorgesehen, 54,95€ für Freizeit, Unterhaltung und Kultur und 2,03€ für Bildung.
Miete
Neben dem zuvor erläuterten Regelbedarf werden für Bürgergeldleistungsbezieher:innen auch die Kosten für die Unterkunft (Miete, Heizung, Nebenkosten) in angemessener Höhe finanziert. Welche Kosten hierbei als angemessen gelten, lässt sich nicht pauschal feststellen sondern ist von Kommune zu Kommune verschieden.
Die Seite Bürgergeld.org hat die im folgenden abgebildete Aufstellung vorgenommen. Bei der Betrachtung dieser muss berücksichtigt werden, dass manche Zahlen (z.B. die von Stuttgart) lediglich die Nettokaltmiete basierend auf dem Mietspiegel, ohne Umlagen für Betriebs- und Heizkosten aufzeigen und deshalb nicht pauschal miteinander vergleichen werden können.
Im Folgenden wird am Beispiel Berlin aufgezeigt, wie sich die Kosten, die das Jobcenter für eine Wohnung übernimmt, je nach Anzahl der im Haushalt lebenden Personen verändert.
Zur Einordung: Im 2. Quartal des Jahres 2024 lag der Durchschnittspreis pro Quadratmeter in Berlin bei 15,44€. Eine Wohnung mit 50 Quadratmetern kostet also im Durchschnitt 722€.
Sonstige Leistungen
Zusätzlich zur Miete können außerdem Mehrbedarfe (z.B. bei Alleinerziehenden, Schwangerschaft oder für aus medizinischen Gründen erforderliche kostenaufwändigere Ernährung) für Menschen in besonderen Lebenslagen vom Jobcenter übernommen werden.
Nach Angaben des Deutschen Bundestags wurden für die Ausgaben des Bürgergeldes für den Bund im Jahr 2024 26,5 Milliarden Euro bereitgestellt.
Das ist natürlich viel Geld, wenn man aber bedenkt, dass dem deutschen Staat jedes Jahr um die 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehungen verloren gehen, könnte man sich schon fragen, ob es nicht andere Möglichkeiten für den deutschen Staat gäbe, an Geld zu kommen.
Vielleicht durch eine Vermögenssteuer für die 249 in Deutschland lebenden Milliadär:innen?
Literatur:
Das Bürgergeld im Faktencheck - BMAS
SGB 2 - Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende
- (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) (gesetze-im-internet.de)
Bürgergeld Regelsatz 2024 (buerger-geld.org)
Deutscher Bundestag - Arbeits- und Sozialetat wächst auf 171 Milliarden Euro
Bürgergeld: Voraussetzungen, Einkommen und Vermögen | Bundesagentur für Arbeit (arbeitsagentur.de)
Bürgergeld: Höhe, Gesetz und Antrag 2024 [+ Tabelle] (hopkins.law)
Leistungen und Bedarfe im Bürgergeld - BMAS
Bürgergeld - so hoch darf die Miete der Wohnung 2024 sein (buergergeld.org)
Fragen und Antworten zum Bürgergeld - BMAS
Faktencheck Bürgergeld - im Detail - BMAS
Mietpreisentwicklung in Berlin | Statista
Warum Millionen Menschen nicht arbeiten | tagesschau.de
Deutscher Bundestag - Informationsaustausch gegen Steuerhinterziehung
Deutschland verliert mehr als 160 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung und -vermeidung | Finanzverwaltung NRW
Deutscher Bundestag - Haushalt 2024: Sozialetat mit Abstand größter Posten